Ausstellung

Von Blauohren und Zauberdecken – Kinderbuchillustrationen von Ewa Kozyra-Pawlak und Paweł Pawlak


Ewa Kozyra-Pawlak und Paweł Pawlak gehören zu den spannendsten zeitgenössischen polnischen Kinderbuchillustratoren und -autoren. Deshalb sollte man es keinesfalls verpassen, die Arbeiten der beiden Künstler kennen zu lernen. Die Helden ihrer Bücher kann man in den entferntesten Orten und Regionen der Welt treffen – in Japan, Kanada, Thailand, Korea sowie in Italien, Belgien und Großbritannien.
Schon als kleiner Junge ließ Paweł Pawlak sein zeichnerisches Talent – und dies nicht immer zur Freude seiner Lehrer – deutlich erkennen. Umso größer war das Glück, als er später in der Breslauer Schule für Bildende Kunst einen Ort finden sollte, an dem er nicht nur seine spätere Frau und künstlerische Weggefährtin traf, sondern mit seiner Kreativität auch die Zeit zwischen den Pausen füllen durfte. Mittlerweile gehen über 50 Bücher sowie zahlreiche Bühnenbilder für Puppentheater auf das Konto des polnischen Künstlerehepaars. Für ihre Arbeit wurden sie mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Goldenen Apfel für „Dideldum“ (Internationale Biennale der Illustrationen, Bratislava 2005) und der Auszeichnung „Buch des Jahres“ für „Alice in der Tinte“ (IBBY, Polen 2010).

Im Rahmen des polenmARkT 2010. In Zusammenarbeit und mit freundlicher Unterstützung des Polnischen Instituts Düsseldorf, der Universitäts- und Hansestadt Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Die Ausstellung ist vom 20. November 2010 bis 15. Januar 2011, jeweils Dienstag bis Samstag in der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr, geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Ausstellung

Poesie des Untergrunds: Die Literaten- und Künstlerszene Ostberlins 1979 bis 1989

In der letzten langen Dekade des kurzen Daseins der DDR geriet Ostberlin in Bewegung. Jedenfalls aus künstlerischer Sicht. Speziell im heruntergekommenen Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg, jenseits des staatlichen Kunst- und Kulturbetriebs, entfaltete und entwickelte sich eine Szene, die in ihren Aktivitäten und in ihrer Arbeit eine von ideologischen Grenzziehungen nicht kontaminierte Sprache suchte und fand.
Diese Suche entsprach durchaus einer Unabhängigkeitserklärung. Sie mündete in eine Poesie des Untergrunds, die zwar unter halblegalen und illegalen Bedingungen entstand und Verbreitung fand, sich aber einer ständigen Bezüglichkeit auf die Diktatur verweigerte.
Die Künstler nutzten die zunehmende Unsicherheit des Staates und die sich dadurch öffnenden Freiräume. Ihre Netzwerke erlaubten ihnen eine völlig neue Art der Kreativität. Es arbeiteten Dichter mit bildenden Künstlern, mit Fotografen, mit Bands und Zeitschriftenmachern zusammen. Es gab Lesungen, Ausstellungen, Konzerte, Modenschauen oder Theater- und Filmaufführungen in privaten Wohnungen, Ateliers und auf Dachböden oder Hinterhöfen und es entwickelte sich eine eigenständige zweite Kultur, die ihren Niederschlag u. a. in den originalgrafischen Zeitschriften und in den zahlreichen Künstlerbüchern fand.

Die geistigen Zeugnisse und materiellen Hinterlassenschaften dieser Szene sichtbar zu machen, ist Ziel der Ausstellung „Poesie des Untergrunds“. Die Exposition, welche im Herbst 2009 im Prenzlauer Berg-Museum in Berlin ihren Auftakt hatte und bereits an verschiedenen Orten gezeigt worden ist, präsentiert die verschiedenen Facetten dieser künstlerischen Arbeit. So werden in der Greifswalder Präsentation Grafiken, Fotografien, Plakate, Untergrundzeitschriften, Künstlerbücher sowie einige andere Dokumente aus dieser Zeit zu sehen sein.

Kuratoren: Ingeborg Quaas, Uwe Warnke & Thomas Günther

Mit freundlicher Unterstützung des Quartiersbüros Fleischervorstadt, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Landeszentrale für politische Bildung MV, der Universitäts- und Hansestadt Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Die Ausstellung ist von 24. September bis 13. November 2010, jeweils Dienstag bis Samstag in der Zeit von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr, geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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Fotos der Ausstellung „Rückblende: Greifswald in der Wende-Zeit“ jetzt bei Flickr

Die Fotos der Ausstellung „Rückblende: Greifswald in der Wende-Zeit“, welche von Greifswaldern und ehemaligen Greifswaldern eingereicht und im Herbst des letzten Jahres in der Galerie des Koeppenhauses präsentiert wurden, sind fortan im Internet bei Flickr anzuschauen.

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Mecklenburg-Vorpommern auf den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt dreifach vertreten

Bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur vom 24.-27. Juni 2010 in Klagenfurt war Mecklenburg-Vorpommern mit drei Literaten, Volker Altwasser, Peter Wawerzinek und Judith Zander vertreten.

Volker H. Altwasser wurde 1969 in Greifswald geboren und lebt in Rostock. Er übte verschiedenste Berufe aus, u. a. war er schon Elektronikfacharbeiter, Heizer und Matrose. Von 1998 bis 2001 studierte er am Deutschen Literaturinstitut.

Peter Wawerzinek, geboren als Peter Runkel, wurde 1954 in Rostock geboren und lebt heute in Berlin. Er brach sein Kunststudium ab und übte bereits die verschiedensten Berufe aus, u. a. war er Totengräber und Tischler, in den 80ern Performance-Künstler und Stehgreifpoet.
Peter Wawerzinek wurde als Kleinkind von seinen Eltern in der DDR zurückgelassen und wuchs in den dortigen Kinderheimen und als Adoptivkind an der Ostseeküste auf. 1978 übersiedelte er nach Ostberlin. Viele seiner Werke sind autobiografisch geprägt. Er schreibt Songs und journalistische Texte.
Am 19. Januar 2011 wird Peter Wawerzinek aus seinem Roman „Rabenliebe“ im Koeppenhaus lesen.

Judith Zander wurde 1980 in Anklam geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte in Greifswald und anschließend am Literaturinstitut in Leipzig.
Zander schreibt Lyrik und Prosa und übersetzt. Die Autorin veröffentlichte ihre Texte in Zeitschriften und Anthologien, u. a. in edit, manuskripte und wespennest.
Am 1. Oktober 2010 wird Judith Zander aus ihrem Roman „Dinge, die wir heute sagten“ im Koeppenhaus lesen.

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Erlös des Bücherflohmarktes


Der Bücherflohmarkt im Koeppenhaus, welcher am Sonntag, dem 4. Juli, im Rahmen des Stadtteilflohmarkts in der Fleischervorstadt stattfand, hat einen Verkaufserlös von 350,90 Euro eingebracht. Das Geld ist bestimmt für die Arbeit des Vereins Deutsch-Afrikanische Zusammenarbeit e.V. (DAZ) und speziell für Kinder in Togo/Westafrika. DAZ fördert in der Savannenregion im Norden Togos 5 Grundschulen (Klassenstufen 1-6). Es geht zum einen darum, Schüler mit Schulmaterial und Schulkleidung auszustatten. Vor zwei Jahren wurde in Togo das Schulgeld gestrichen. Nun gehen viel mehr Kinder zur Schule. Aber es gibt immer noch viele Familien, die Schulhefte, Zirkelkästen, Schultaschen und Schulkleidung nicht bezahlen können.

Auf diesem Wege möchte das Koeppenhaus – auch im Namen des DAZ e.V. – allen Buchspendern sowie allen Käufern herzlich Danke sagen!

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Wolfgang-Koeppen-Woche im Literaturforum im Brecht-Haus in Berlin

Einen „Geheimschreiber“ nannte Alfred Andersch seinen Schriftstellerkollegen Wolfgang Koeppen (1906–1996), der zu den wichtigsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur zählt, der Romane, Reisebücher, Essays, Kritiken und vieles andere mehr geschrieben hat und dessen Werk nun in einer sechzehnbändigen Werkausgabe erscheint.

Trotz seines – alles in allem – am Ende doch umfangreichen Lebenswerkes war Koeppens literarische Produktivität immer eine äußerst störungsanfällige, die zwischen Schreiben und Nichtschreiben, zwischen eruptiven Schaffensphasen wie auch längeren Perioden des Nichtschreibens beziehungsweise Nichtpublizierens wechselte. Koeppens ‚Geheimnis’ ist insofern ein doppeltes: es betrifft sowohl sein geschriebenes Werk wie auch sein ungeschriebenes – und damit sein Leben, über das er als Autor in zahlreichen Interviews oft gesprochen, und in das er gleichwohl niemals wirklich Einblick gegeben hat. Dieser Einblick in Koeppens Leben, das er selbst des öfteren einen „Roman“ nannte, ist erst in den letzten Jahren aufgrund der Publikation der biografischen Studie von Jörg Döring sowie den Briefwechseln mit Siegfried Unseld und der Ehefrau Marion möglich geworden. Das neue Wissen um den Autor schärft auch den Blick auf sein Werk.

Montag, 26. Juli 2010, 20 Uhr
Wolfgang Koeppens Briefe an Marion Koeppen und Siegfried Unseld
Mit Anja Ebner und Bernhard Fetz
Aus den Briefen liest Daniel Minetti
Moderation Hans-Ulrich Treichel

Dienstag, 27. Juli 2010, 20 Uhr
„Das biografische Geheimnis“ – Auf den Spuren von Wolfgang Koeppens Biografie
Mit Monika Schmitz-Emans und Jörg Döring
Moderation Hans-Ulrich Treichel

Mittwoch, 28. Juli 2010, 20 Uhr
„Ich bin ein konservativer Anarchist“ – Der Zeitkritiker Wolfgang Koeppen
Mit Raimund Fellinger und Axel Schildt
Moderation Hans-Ulrich Treichel

Donnerstag, 29. Juli 2010, 20 Uhr
Vergebliche Reisen? – Wolfgang Koeppen unterwegs
Mit Walter Erhart und Hermann Schlösser
Moderation Hans-Ulrich Treichel

Freitag, 30. Juli 2010, 20 Uhr
Außer Haus
Ort: Kino Babylon, Großer Saal
Rosa-Luxemburg-Str. 30
10178 Berlin
Das Treibhaus. Nach dem Roman von Wolfgang Koeppen. Ein Film von Peter Goedel
Mit Peter Goedel
Moderation Hans-Ulrich Treichel

Wolfgang-Koeppen-Preis

Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis 2010 für Joachim Lottmann

Am Mittwoch, dem 23. Juni 2010 und 104. Geburtstag Wolfgang Koeppens, wurde der Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis der Universitäts- und Hansestadt Greifswald durch den Oberbürgermeister Dr. Arthur König feierlich an den Schriftsteller Joachim Lottmann überreicht.

Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald verleiht seit 1998 in jedem zweiten Jahr den Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis. Der jeweils letzte Preisträger schlägt seinen Nachfolger vor. Bisherige Preisträger waren Richard Anders, Thomas Lehr, Susanne Riedel, Ludwig Fels, Bartholomäus Grill und Sibylle Berg.
Die Preisträgerin des Jahres 2008 Sibylle Berg hat ihre Wahl folgendermaßen begründet: „Joachim Lottmann ist für mich einer der unterschätzten Schriftsteller Deutschlands {…}, beneidet ob seines grandiosen erzählerischen Talents und um seine absolut nicht deutsche Fähigkeit, auf sehr hohem Niveau zu unterhalten. Er hat die Gabe, zu beobachten, ohne dabei zu verbittern. Alles Dinge, die für mich auch dem Werk Wolfgang Koeppens gemein sind.“

Von Joachim Lottmann sind erschienen:

  • „Mai, Juni, Juli“ (KiWi 1987; Neuausgabe 2003)
  • „Deutsche Einheit. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1995“ (Haffmans, Zürich 1999)
  • „Die Jugend von heute“ (KiWi 2004)
  • „Zombie Nation“ (KiWi 2006)
  • „Auf der Borderline nachts um halb eins. Mein Leben als Deutschlandreporter“ (KiWi 2007)
  • „Der Geldkomplex“ (KiWi 2009)

Aus Joachim Lottmanns Rede anlässlich der Preisverleihung:
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Koeppentage

Greifswalder Koeppentage 2010 zum Thema „Das Amerika der Autoren“

Plakat Koeppentage 2010„Ein Ort, aufs innigste sich hinzuwünschen“ aus: „Amerikafahrt und andere Reisen in die Neue Welt“, Hrsg. von Walter Erhart unter Mitarbeit von Anja Ebner und Arne Grafe, Suhrkamp Verlag, 2008: S. 228.

Die Greifswalder Koeppentage präsentieren vom 18. Juni – 25. Juni 2010 rund um den 104. Geburtstag Wolfgang Koeppens (1906–1996) eine Veranstaltungsreihe, die Aspekte aus dem Leben und Werk des Autors aufgreift. Koeppen wurde am 23. Juni 1906 in der Bahnhofstraße 4/5, dem heutigen Koeppenhaus, geboren.

Das Reisen bildet das geheime, lange Zeit viel zu wenig beachtete Zentrum von Wolfgang Koeppens literarischem Werk. Über sechs Jahrzehnte, von der Weimarer Republik bis zum Ende der alten Bundesrepublik, schrieb Koeppen Reisereportagen. Er spielte mit Formen des Genres und warf einen unkonventionellen, das Fremde und gleichzeitig Authentische suchenden Blick auf scheinbar bekannte Kultur- und Lebensgewohnheiten; egal, ob er sich – im Auftrag von Alfred Andersch und für den Süddeutschen Rundfunk – 1957 in die Sowjetunion oder, nur ein Jahr später, in die USA aufmachte. „Amerikafahrt“ dokumentiert Wolfgang Koeppens lebenslange Auseinandersetzung mit der „Neuen Welt“.

Seit deutsche Autoren über Amerika schreiben, geschieht dies in einer Ambivalenz von Faszination und Abwehr. Amerika ist anders als Europa, aber inwiefern? Wie hat sich der Blick der deutschen Autoren seit Koeppens Amerikafahrt gewandelt? Dies versuchen die diesjährigen Koeppentage auf unterschiedliche Weise zu verdeutlichen.

Neben dem zu kürenden Koeppen-Preis-Träger Joachim Lottmann, dem Professor für Geschichte Michael Kimmage (Washington) und einem der vielseitigsten Kreativen der deutschen Kulturszene, dem Schauspieler, Regisseur und Autor Hanns Zischler werden u. a. die Schriftsteller Ulrich Peltzer und Antje Ravic-Strubel in Greifswald erwartet.

Die Greifswalder Koeppentage sind eine Veranstaltungsreihe des Literaturzentrums Vorpommern (in Trägerschaft des IKAZ e.V.) in Zusammenarbeit und mit freundlicher Unterstützung des Instituts für Deutsche Philologie der Universität Greifswald, der Universitäts- und Hansestadt Greifswald, des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der Wolfgang-Koeppen-Stiftung, des Quartiersbüros Fleischervorstadt, des Suhrkamp Verlags, der Greifswalder Stadtwerke GmbH und der Volksbank Raiffeisenbank eG Greifswald.

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Wir gratulieren Eva Strittmatter zum 80. Geburtstag!

Eva Strittmatter, geborene Braun, erblickte am 8. Februar 1930 als zweites von drei Kindern in Neuruppin das Licht der Welt. Sie studierte 1947 bis 1951 Germanistik in Berlin. 1951 bis 1953 war sie Mitarbeiterin beim Deutschen Schriftstellerverband, seit 1954 freie Schriftstellerin. 1956 heiratete sie Erwin Strittmatter, mit dem sie nach Schulzenhof zog.

Sie veröffentlichte Kritiken, Kinderbücher, Gedichte und Prosa. 1975 erhielt sie den Heinrich-Heine-Preis und 1998 den Walter-Bauer-Preis. Sie lebt in Schulzenhof bei Gransee.

Sinn
Wer räumt in meinem Leben auf,
Wer nimmt mich als sein Mündel an,
Gebietet mir, was ich nicht kann,
Von den Gefühlen abzulassen
Und nicht zu lieben, wo ich hassen
Sollte. Wer prügelt mir den Gleichmut ein,
Fegt meine Seele besenrein,
Umgattert das Gefühl mit Planken
Und zwingt mich wieder, die Gedanken
Unterzuordnen einem Sinn?

Keiner wirds sein, wenn ichs nicht bin.

1996 / Unveröffentlicht
in „Hundert Gedichte“, Aufbau-Verlag, Berlin

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Wir gratulieren Herta Müller zum Literaturnobelpreis!

Aus Anlaß der diesjährigen Vergabe des Literaturnobelpreises an die Schriftstellerin Herta Müller haben wir die Ausstellung zu den deutschsprachige Nobelpreisträgern, die wir derzeit in der Galerie unseres Hauses präsentieren, um eine kleine Informationsfahne über die Schriftstellerin Herta Müller ergänzt.

Herta Müller wurde am 17. August 1953 in Nitzydorf als Angehörige der deutschen Minderheit in Rumänien geboren. Ihr Vater war Soldat in der Waffen-SS und arbeitete nach dem Krieg als LKW-Fahrer. Ihre Mutter wurde zu jahrelanger Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Erst im Alter von 15 Jahren lernte Herta Müller Rumänisch, denn bislang sprach sie den banatschwäbischen Dialekt ihres Dorfes.

„Im Dialekt des banatschwäbischen Dorfes, in dem ich aufgewachsen bin, sagte man: Der Wind geht. Im Hochdeutschen, das man in der Schule sprach, sagte man: Der Wind weht. Und das klang für mich als Siebenjährige, als würde er sich wehtun. Und im Rumänischen, das ich damals in der Schule zu lernen begann, sagte man: Der Wind schlägt, ‚vintul bate’. Das klang damals, als würde er anderen wehtun.“

Herta Müller in der Festschrift „Murnau Manila Minsk. 50 Jahre Goethe-Institut“

In Temeswar studierte sie Germanistik und Romanistik und arbeitete später als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. 1979 verlor sie jedoch ihren Arbeitsplatz, da sie nicht mit dem rumänischen Geheimdienst Securitate zusammenarbeiten wollte. Danach verdiente sie als Deutschlehrerin und Kindergärtnerin ihren Lebensunterhalt.
Ihr erstes Buch mit dem Titel „Niederungen“ erschien 1982 in einer zensierten Fassung in Rumänien. Nachdem das Buch 1984 in Deutschland veröffentlicht worden war, erhielt Herta Müller Publikationsverbot und wurde wiederholt von der Securitate verfolgt und bedroht.
1987 reiste Herta Müller nach Deutschland aus. Sie lebt in Berlin.
Am 8. Oktober 2009 wurde bekanntgegeben, daß Herta Müller mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird.

„Die Nobelpreis-Jury hat sich für eine europäische Autorin der Nachkriegsgeneration entschieden, deren Leben und Werk vom Zeitalter der Diktaturen geprägt und aus der Ära des Kalten Krieges herausgewachsen ist.“ Süddeutsche Zeitung, 9.10.2009

„Ich bin selber auch ganz überrascht. Ich dachte immer, auf der Liste ist man sein Leben lang. Dass ich den Preis bekomme, hielt ich für ausgeschlossen. Aber ich bin es ja gar nicht, es sind ja die Bücher.“ Süddeutsche Zeitung, 9.10.2009

„Es trifft zu, was der Dichter Mircea Dinescu über sie sagt: Sie sei eine „Aktivistin des Leidens“. Süddeutsche Zeitung, 9.10.2009

„So ist es eben dieser geschichtliche Raum der rumänischen Diktatur, der ihre Gegenwart definiert und der sie von der ‚hiesigen’ Literatur trennt. Sie habe keine Wahl, sagt sie: ‚Ich bin am Schreibtisch nicht im Schuhladen. Ich muss mich im Schreiben dort aufhalten, wo ich innerlich am meisten verletzt bin, sonst müsste ich doch gar nicht schreiben. {…} Wenn es bei Herta Müller eine Art Geborgenheit gibt, dann in der Sprache selbst.“ taz, 8.10.2009

„Oskar Pastior hätte es natürlich sehr gefreut, vielleicht sogar mehr als mich. Ohne ihn und seine detaillierten Erzählungen aus dem Lageralltag hätte ich das Buch auch gar nicht schreiben können. Er wollte aber, dass es das Buch gibt. Es war meine Trauerarbeit, darüber darf man eigentlich auch kein schlechtes Buch schreiben.“
Herta Müller über ihr Buch „Atemschaukel“, FAZ, 8.10.2009

Stimmen zu Herta Müllers Nominierung:

Marcel Reich-Ranicki: „Ich will nicht über die Herta Müller reden.“ Der Spiegel, 8.10.2009

Günter Grass: „Oh, das ist schön für Herta Müller.“ Damit begann der Nobelpreisträger des Jahres 1999. Das klang nicht übermäßig begeistert; das Ereignis war nicht etwa objektiv und an sich schön, sondern erst einmal nur für die Ausgezeichnete. Oder? Ein bisschen musste Grass nun doch nach kurzem Murmeln zugestehen: „Sie ist eine sehr gute Schriftstellerin.“ Er allerdings habe auf den Preis für Amos Oz gehofft, den „israelischen Schriftsteller“. Aber die Jury habe so entschieden. „Und die werden Gründe gehabt haben.“ Ende. FAZ, 9.10.2009

Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Es mag überraschend sein. Aber das geht vollkommen auf. Sie ist eine der größten Stimmen, die wir haben. Kräftig und fein. Wenn jetzt eine schreibende und noch recht junge Frau den Nobelpreis bekommt, dann hat das eine starke Aussagekraft.“ FAZ, 8.10.2009

Ilija Trojanow, Autor und Herausgeber: „Mit Herta Müller zeichnet die Schwedische Akademie in Stockholm eine Autorin aus, die sich gegen das Vergessen stemmt, gegen diesen Furor des Vertuschens und Verniedlichens, der im Osten Europas seit 1989 vorherrscht und eine der schlimmsten Epochen der Erniedrigung und Zerstörung des Menschen als regulative Normalität auszugeben sucht (eine Haltung, die inzwischen auch im „Westen” weithin anzutreffen ist). Herta Müller bewahrt sowohl von ihr selbst Erlebtes als auch ihr Anvertrautes in einem eigenwilligen Wortgedächtnis, sie verschafft den Verstummten neue Gehörschaft und ruft unsere Empathie für Vergangenes wach.
Der Nobelpreis an Herta Müller ist ein bedeutendes Signal, dass die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit existentiell wichtig und noch lange nicht abgeschlossen ist. Er ist Belohnung für eine unbeugsam-couragierte literarische Arbeit und Ermutigung für alle anderen, die einen ähnlichen Weg beschreiten.” FAZ, 8.10.2009

Stimmen aus Herta Müllers Werk

„Es gibt keine passenden Wörter fürs Hungerleiden. Ich muss dem Hunger heute noch zeigen, dass ich ihm entkommen bin. Ich esse buchstäblich das Leben selbst, seit ich nicht mehr hungern muss. Ich bin eingesperrt in den Geschmack des Essens, wenn ich esse. Ich esse seit meiner Heimkehr aus dem Lager, seit sechzig Jahren, gegen das Verhungern.“
Herta Müller: Atemschaukel, München: Hanser Verlag 2009, S. 25.

„Der Hunger ist ein Gegenstand.
Der Engel ist ins Hirn gestiegen.
Der Hungerengel denkt nicht. Er denkt richtig.
Er fehlt nie.
Er kennt meine Grenzen und weiß seine Richtung.
Er weiß meine Herkunft und kennt seine Wirkung.“
Herta Müller: Atemschaukel, München: Hanser Verlag 2009, S. 144.

„Man hat Läuse auf dem Kopf, in den Augenbrauen, im Nacken, in den Achseln, im Schamhaar. Man hat Wanzen im Bettgestell. Man hat Hunger. Man sagt aber nicht: Ich habe Läuse und Wanzen und Hunger. Man sagt: Ich habe Heimweh. Als ob man es bräuchte.“
Herta Müller: Atemschaukel, München: Hanser Verlag 2009, S. 232.

„Da wurde der Talhimmel ein großer blauer und die Weide ein großer grüner Dreck und ich ein kleiner Dreck dazwischen, der nicht zählte. Das Wort „einsam“ gibt es nicht im Dialekt, nur das Wort „allein“. Und dieses hieß „alleenig“, und das kling wie „wenig“ – und so war es auch.“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 12.

„Es ist nicht wahr, daß es für alles Worte gibt. Auch daß man immer in Worten denkt, ist nicht wahr. Bis heute denke ich vieles nicht in Worten, habe keine gefunden, nicht im Dorfdeutschen, nicht im Stadtdeutschen, nicht im Rumänischen, nicht im Ost- oder Westdeutschen. Und in keinem Buch. Die inneren Bereiche decken sich nicht mit der Sprache, sie zerren einen dorthin, wo sich Wörter nicht aufhalten können.“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 14.

„Das Kriterium der Qualität eines Textes ist für mich immer dieses eine gewesen: kommt es zum stumpfen Irrlauf im Kopf oder nicht. Jeder gute Satz mündet im Kopf dorthin, wo das, was er auslöst, anders mit sich spricht als in Worten. Und wenn ich sage, daß mich Bücher verändert haben, dann geschah es aus diesem Grund.“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 20.

„Wenn am Leben nichts mehr stimmt, stürzen auch die Wörter ab. Denn alle Diktaturen, ob rechte oder linke, atheistische oder göttliche, nehmen die Sprache in ihren Dienst.“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 31.

„Der Vernehmer fragte beim Verhör verächtlich: ‚Was glaubst du, wer du bist.’ Es war gar keine Frage, umso mehr nutzte ich die Gelegenheit zu antworten: ‚Ich bin ein Mensch wie Sie.’“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 53.

„Ich wunderte mich, wie wenig ich an jeder Gegenwart das Gepäck erkannt habe, das sie mir, als sie vorbei war, mitgegeben hat für die Zukunft. Das Nachhinein schert sich nicht um die Trennung von Vergangenheit und Gegenwart.“
Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet, München: Hanser Verlag 2003, S. 107.