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Wir empfehlen Peter Rühmkorf: „Paradiesvogelschiß“

Der Dichter Peter Rühmkorf hat im Rowohlt Verlag ein so wunderbares Buch mit Gedichten vorgelegt, daß wir es Ihnen unbedingt empfehlen möchten.

Ballade von den geschenkten Blättern

Es war einmal ein Paradiesvogelschiß,
der schien sich sogleich seiner Sendung gewiß,
weil er klackste bei mir in den Garten.
Bei so etwas liegt der Gedanke nicht fern,
vielleicht birgt er einen nützlichen Kern –
Mal warten.

Ein Jahr verflog – ein zweites verfloß
Erst im dritten hatte ein ärmlicher Sproß
sich entschieden, Flagge zu zeigen:
Ein Stengel schoß auf, ein Blättchen daran,
das sah mich statt grün eher bleiern an,
sehr eigen.

Ich ließ es so treiben und nahm es als Jux,
bis Hecken und Sträucher weit überwuchs
und mein Haus in den Schatten setzte.
Da sprach ich, egal, ob Du Deibel, ob Christ,
ja, die Weltenesche persönlich bist,
Herbstende ist für dich der Letzte.

Ich schränkte die Säge, ich wetzte das Beil,
weil mir ein besonntes Altenteil
doch erfreulicher schien als ein düstres.
Da fingen – „Halt ein, unseliger Mann“,
die blechernen Blätter zu rascheln an,
„gib Acht, es folgt was Illüstres!“

Und Geschepper, Geklepper, Geklimper, Geklirr,
aus den Häusern glitt mir mein Mördergeschirr,
und ich fluchte nur, „ab mit Schaden!“
Weil aufs Stichwort hatte der seltsame Gast
Sich seiner gesammelten Blätterlast
Ent! – laden –

„Schaden?! – Für dich? – Ungläubiger Buch-
stabendruckser; doch ganz nach Belieben –
Weil auf jedem Blatt steht ein goldener Spruch
in privater Geheimschrift geschrieben.
Und wenn du sie einsäckelst Fitz für Fitz,
selbst die schrägen und scheinbar verenkten,
und es mangelt dir eines Tages an Witz,
dann greif nur zurück auf deinen Besitz,
und es knattern wie eh die Poengten …

Und genieß dich getrost als Beschenkten!“

aus: Peter Rühmkorf „Paradiesvogelschiß“, Reinbek: Rowohlt Verlag, 2008.